Die Wetterprognose ist gut, es ist Neumond, der Höhepunkt der sommerlichen Sternschnuppen und ich hatte am nächsten Tag frei – da muss ja eine Spechtel-Nacht anstehen. Wenn man dann auch noch am Tag danach frei hat, kann man auch mal was Verrücktes machen: Warum nicht endlich mal für eine Nacht ins Gebirge zum Sternegucken? Nach der Recherche in den einschlägigen Foren der sternensüchtigen Deep-Sky-Jägern stand es fest: es geht auf die Bieler Höhe, dem höchsten Punkt der Silvretta-Hochalpenstraße…
Also mittags bei brütender Hitze schon mal das Teleskopmobil beladen, mit allem, was man so für eine Nacht unter den Sternen braucht: Teleskop, Okulare, Karte, Kartenhalter, Taschenlampen, Stative und Fotoapparate, warme Kleidung, eine Liege samt Bettzeug, Trinken und Fressalien etc….
Am Abend, gleich nach Feierabend,ging es los, bei schönstem Sonnenschein gen Bodensee. Noch ein Stop in Lindau fürs Pickerl und die (warm und trocken) daheim gebliebene SD-Karte und weiter durch den inzwischen angenehm befahrbaren Pfändertunnel Richtung Montafon. Doch was sah das müde Auge: je weiter ins Gebirge, je näher die Silvretta rückte, desto dichtere Wolken hingen in den Gipfeln. An der Mautstation der Hochalpenstraße waren es dann nicht mehr nur dunkle bedrohliche Wolken, es begann auch noch zu regnen!
Auf der Bieler Höhe angekommen zeigte sich erstmal ein trostloses Bild: tiefhängende Wolken, leichter Regen bei angenehmen 14°C. Gut, besser als die Hitze, aber bin ich jetzt wirklich über 200 km gefahren, um dann im wahrsten Sinne des Wortes im Regen zustehen?
Also schnell das Handy gezückt, die Wetter-App aufgerufen, und nach fast 15 Minuten Ladezeit(gefühlt eher eine Stunde 😯 ) zeigte sich: es ist nur ein kleiner Wolkenstreifen auf dem Satelliten-Bild, es könnte noch was werden! Und siehe da, im Westen, gab es tatsächlich einen Streifen Hoffnung….
Inzwischen dämmerte es schon gewaltig und so langsam sollte man mit dem Aufbau beginnen. Doch wo abstellen? Auf dem Parkplatz tummelten sich Wanderer mit Zelt und Wohnmobil und ihr Taschenlampen-Gefuchtel lies nichts Gutes erahnen. Aber Dank der Baustelle für das neue Obervermuntwerk II ist der Parkplatz ja kleiner als sonst und dahinter eine Abraumdeponie mit perfekter Abschirmung! Also nochmal umgeparkt und es konnte endlich losgehen…
Als das Teleskop und das andere Geraffel endlich einsatzbereit war, war es der Himmel auch: Die Wolken waren verschwunden, nur von Westen zog etwas Nebel vom Vermunt-See hoch, der sollte aber nicht weiter stören. Auch die Baustellen-Beleuchtung für das neue Obervermuntwerk II stört nicht wirklich, sie wird zwar vom Nebel etwas hoch getragen, aber dem Himmel schadet es nicht. Es war zwar heller als gedacht, aber wie auch die Bilder zeigen, praktisch keine Lichtverschmutzung (keine Gradienten auf den Bildern) und eine gut sichtbare Milchstraße – das gibt’s zu Hause nicht!
Ziele diese Nacht war erstmal das Sternbild Adler mit seinen Objekten, irgendwie ist der majestetische Vogel die letzten Jahre etwas zu kurz gekommen 🙂
NGC 6781 the Snowglobe (Planetarischer Nebel, Aql)
Dieser kleine Nebel ist zwischen 1200 und 5000 Lichtjahre von uns entfernt und wurde am 30. Juli 1788 von Wilhelm Herschel entdeckt.
Ein schöner Nebel, zeigt er sich doch schon bei 20mm deutlich als runder, blauer Schneeball, im Zentrum heller, mit leicht verdicktem Rand. Höhere Vergrößerungen brachten aber nicht viel mehr Details. Der OIII – Filter macht in noch etwas deutlicher, der UHC verschlechterte sogar.
NGC 6751 Glowing Eye (Planetarer Nebel, Aql)
Wie ein kleines Sternchen, aber etwas verwaschen so zeigte sich dieser kleine plantare Nebel in der Übersichtsvergrößerung. Er belibt auch bei höherer Vergrößerung ein unscheinbares Scheibchen in einer Linie von Sternen. Entdeckt wurde der 6500 Lichtjahre entfernte PN am 20. Juli 1863 von dem deutschen Astronomen Albert Marth.
Sein momentaner Durchmesser beträgt gerade mal 0,8 Lichtjahre und er dehnt sich mit 40km/s weiter aus.
Vom Tal her stieg immer mal wieder etwas Nebel empor, er machte dann das Baustellenlicht vom Obervermuntwerk II sichtbar. Nur bei Nebel stört das Licht den dunklen Himmel. Gottseidank kam bald etwas Wind auf und der Nebel verzog sich wieder…
Schon mit bloßem Auge leuchtete die Schildwolke deutlich über dem Bergrücken und auch die große dunkle Wolke im Adler mit ihren Verästelungen war deutlich mit bloßem Auge erkennbar. So ein Alpenhimmel ist schon fantastisch!
Weiter ging’s mit den Adler-Objekten:
NGC 6572 (Planetarer Nebel, Oph)
Dieser kleine Nebelfleck ist sehr leicht zu finden, er glänzt in der Übersicht wie ein Stern, bei 14mm und 9mm wird er als kleines, flächiges Fleckchen sichtbar. Man meint auch einen leicht grünlichen Farbton wahrzunehmen. Sicher würde eine höhere Vergrößerung noch mehr zeigen, war aber bei den Seeing-Verhältnissen nicht sinnvoll möglich. Mit 8,1 mag ist dieser planetare Nebel extrem hell. Er ist 2500 Lichtjahre weit entfernt und sein Alter wird auf 2600 Jahre geschätzt – wir sehen ihn also noch ganz kurz nach seiner Entstehung! Entdeckt wurde er 1825 von Friedrich Georg Wilhelm Struve.
NGC 6760 (Kugelsternhaufen, Aql)
Ein kleiner Kugelsternhaufen im Adler stand als nächstes auf der Beobachtungsliste. Die schöne, kleine Haufen lies sich nicht ganz auflösen, bei 9mm waren Sterne am rand klar erkennbar, das äußere Drittel wurde bei indirekter Sicht als Sterne erkennbar. Das Zentrum aber bleibt diffus. Der ca. 25 000 Lichtjahre entfernte Haufen wurde am 30 März 1845 von John Russell Hind entdeckt.
NGC 6802 (offener Sternhaufen, Vul)
Im Sternbild Füchschen verbirgt sich dieser offene Sternhaufen. In der Übersicht bei 20mm zeigt sich ein diffuser, leicht länglicher Haufen. Bei 14mm und 9mm ist länglich, fast rechtwinklig. Speziell bei der mittleren Vergrößerung (14mm) zeigt sich im inneren eine Spiralstruktur, die an DNA erinnert! Im englischensprachigen Internet hat er daher teilweise auch die Bezeichung DNA-Cluster bekommen. NGC 6802 wurde am 11. Juli 1784 von William Herschel entdeckt.
Während der Beobachtungen in der Umgebung des Adlers klickte fleißig die Kamera auf dem kleinen StarAdventurer und hielt dabei das Sommerdreieck und die Milchstraße in Schwan und Adler fest.
Da sieht man fast vor lauter Sternen die Sterne nicht :-). Also nochmal mit ein paar Hilfestellungen…
Es folgt ein Schwenk zur anderen Himmelsrichtung, Objekte aus dem großen mythologischen Komplex der Andromeda, Perseus und Cassiopeia standen an. Los ging es mit:
NGC 559 (Offener Sternhaufen, Cas)
In der Übersicht zeigt sicher der kleine Haufen kompakt, leicht länglich. Bei 9mm wirkt er eher locker, zeigt aber einen seltsam diffusen Hintergrund.
4100 Jahre war das Licht zu uns unterwegs, zum ersten Mal gesehen hat ihn Wilhelm Herschel am 9. November 1787.
M31/32/110 Andromedanebel (Galaxie And)
NGC 206 (Extragalaktische Sternwolke And)
Zur Andromeda-Galaxie braucht man wohl nicht viel Schreiben, sie ist bekannt und doch immer wieder ein schöner Anblick. Im alpinen Umfeld ist es mir auch endlich gelungen, NGC 206, eine große Sternwolke in der Andromeda-Galaxie zu beobachten. Versucht hatte ich das schon öfter, gelungen ist es mir bisher nicht – ich war immer viel zu nah am Kern, wie sich herausstellte! Unter alpinen Himmel ergab sich aber eine ganz andere Schwierigkeit: Weit außerhalb des Kerns zeigen sich hier tolle Strukturen innerhalb der Andromeda und so habe ich mich schon ein paar mal gefreut, NGC 206 endlich erwischt zu haben, aber es waren nur normale Strukturen der Galaxie! Aber dann habe ich sie doch gefunden: bei 20mm ist sie schon indirekt als diffuse Aufhellung erkennbar, bei höherer Vergrößerung tritt sie deutlich hervor, etwas unterhalb eines dunkleren Bereiches der Galaxie. Ein wirklich toller Anblick! Entdeckt wurde diese 2,5 Mio. Lichtjahre entfernte Sternwolke in der Nachbargalaxie am 17. Oktober 1786 von Herschel.
Während ich in den Tiefen des Andromedanebels nach Sternfelder jagte, klickte wieder fleißig die Kamera, diesmal in Richtung Perseus. Eigentlich sollte sie ja nicht nur schöne Sternfeldaufnahmen liefern, sondern hauptsächlich Sternschnuppen einfangen. Aber wie das mit den Sternschnuppen so ist, sie kamen immer dann, wenn die Kamera gerade ihr Bild speicherte, ich am Einstellen war oder sie mogelten sich ganz knapp am Sichtfeld des Objektivs vorbei. 🙁 Eine Schnuppe ging mir aber doch ins Netz, ausgerechnet auf einer Einstellungsaufnahme mit hoher Iso-Zahl 🙂
Aber das ganze Feld ist auch ohne Perseiden interessant: Dreiecksnebel, Andromedanebel, der Doppelsternhaufen, die Plejaden und sogar Uranus lassen sich auf der Aufnahme finden:
Na, alles gefunden? Ob ihr wirklich richtig geguckt habt, verrät das nächste Bild…
Andromeda hat aber noch mehr Schätze für den Beobachter zu bieten:
NGC 404 Mirachs Geist (Galaxie, And)
In der Übersicht ist sofort klar, woher der Name kommt: Nahe des Sterns Mirach (β Andromedae), fast wie eine Reflexion des Lichts des Sterns, zeigt sich ein diffuses Nebelfleckchen. Wer mehr davon erkennen will, muss unbedingt Mirach bei höherer Vergrößerung aus dem Gesichtsfeld halten, er überstrahlt sonst die Galaxie. Bei 9mm wird deutlich, dass es sich bei dem Geist um eine Galaxie handelt: ein helles Zentrum mit einem deutlichen ovalen Hof. 10 Mio. Lichtjahre ist der Geist von uns entfernt und hat einen Durchmesser von 10.000 Lichtjahren. Sie ist eine linsenförmige Zwerggalaxie (Hubble Typ S0). Zum ersten Mal wurde der Geist von Herschel am 13. September 1784 erspäht.
NGC 891 Silver Sliver Galaxy (Galaxie, And)
In der Übersicht war sie noch sehr schwach, ein zarter Hauch von einem Nebel der leicht zu übersehen war. (Vielleicht war auch kurzfristig das Rotlicht zu hell?) Bei 14mm wurde sie plötzlich deutlich. Der Name passt: eine silbrige Nadel füllt fast 1/3 des Gesichtsfeldes. Die Mitte zeigt deutlich den zentralen Buldge der Galaxie. Deutlich tritt auch das dunkle Staubband hervor. Eine wirklich tolle Galaxie und neben NGC 206 mein persönliches Highlight dieser Nacht!
30 Mio Jahre ist das Licht dieser Spiralgalaxie alt, wenn es das Teleskop einfängt und mit 150.000 Lichtjahren Durchmesser ist sie eine der größten bekannten Spiralgalaxien überhaupt. zum ersten Mal beobachtet wurde sie am 6. Oktober 1784 ,mal wieder war Herschel der erste!
M33 Dreicksnebel (Galaxie,Tri)
Wenn man schon auf Galaxienjagd in der Andromedaregion ist, darf natürlich auch der Dreiecksnebel nicht fehlen. Wie schon bei Andromeda wirkt auch hier der Alpenhimmel wunder: Deutliche Strukturen, die man wirklich mit dem Okular weit vom Zentrum weg verfolgen kann. So muss Galaxienspechteln sein!
M33 ist nach der Andromeda-Galaxie (150.000 Lj) und unserer Milchstraße (~ 100.000 Lj) mit ca. 60.000 Lichtjahren das drittgrößte Objekt der lokalen Gruppe. Mit 3 Millionen Lichtjahren ist sie das weitest entfernte Objekt, das theoretisch noch mit bloßem Auge sichtbar ist, würde der Himmel dunkel genug sein.
M33 war nach M52 die erste Galaxie, bei der die Beobachtung der Spiralstruktur gelang. Lord Rosse beobachtete diese zum ersten Mal 1845 mit seinem bekannten Leviathan. Entdeckt wurde sie aber von Giovanni Battista Hodierna und Charles Messier.
Der schöne Anblick der Galaxien lies mich dann etwas übermütig werden: Es sollte doch möglich sein, wenigstens die Andromeda-Galaxie (M31) mit dem 200mm Tele auf der StarAdventure zu fotografieren. Also grob die Kamera auf Andromeda ausgerichtet. In der LiveView bei höchster zeigte sich auch brav ein ovaler Nebelfleck…
30 Bilder je 120 Sekunden machte die Kamera. Eine kleine Spielerei, auf die Schnelle und ohne Darks, Flats und andere Spielereien, die sonst so nötig sind… Raus gekommen ist tatsächlich eine Galaxie, aber eben nicht Andromeda sondern der Dreiecksnebel 🙂
Inzwischen war es 4 Uhr und die Dämmerung kroch langsam die Täler hoch. Schnell noch das ganze Gerümpel ins Auto gepackt und dann erst mal ausruhen. Ein kurzes Nickerchen im Freien unter den Sternen….
Gegen 6:00 Uhr dann noch eine kleine Erfrischung an einem eiskalten Gletscherbach und den Morgen genießen, bevor es wieder Richtung Heimat gehen sollte:
Auf der Heimfahrt noch schnell ein Abstecher zum nahe gelegen Kopp-See mit Europas modernsten Pumpspeicherwerk (gehört wie auch der Vermunt- und Silvretta-See zum Kraftwerksverbund der Illwerke)
Die Heimfahrt war anstrengend und daheim hieß es erstmal die Beine strecken und das weiche Bett genießen! Es war ein wirklich toller Ausflug in die Hochalpen, ein Erlebnis mit absoluter Wiederholungsgefahr!
Spechteln: Substantiv: das Spechteln, Verb: spechteln: Beobachten von sog. „Faint Fuzzies“, als schwachen Fleckchen mittels der Hilfe von sogenannten Teleskopen meist nächtens auf Feldern, Feldwegen und im Hochgebirge von österreichisch, umgangssprachlich, (auch abwertend): mit Verlangen auf etwas spähen, gaffen; spionieren |
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